Blick auf den Fuji

Übersetzungsapps und Radfahren: Mein Auslandssemester in Japan

Jonas studiert ein Semester lang an der Tokyo Tech und sagt: „Japan ist ein Land wie kein anderes.“ Im Blogartikel berichtet er von seinen Erfahrungen.

In den meisten Studiengängen an deutschen Universitäten ist es nicht verpflichtend ins Ausland zu gehen, in einigen Fällen, so auch in meinem Informatikstudium, ist nicht einmal ein Praktikum vorgesehen. Dabei sind gerade solche Angebote die beste Möglichkeit, um neue Erfahrungen zu sammeln, sei es auf fachlicher oder auf persönlicher Ebene. Oft hat man im späteren Arbeitsleben nicht mehr die Option, für einen längeren Zeitraum woanders zu leben, daher sollte sich jede und jeder im Verlauf seines Studiums diese Option durch den Kopf gehen lassen.

Blick aus meinem Wohnheimzimmer.

Ein Auslandsaufenthalt hat diverse Vorteile. So lernt man andere Kulturen und Denkweisen kennen und kann dadurch auch sein eigenes Land in einem anderen Licht sehen. Man lernt, sich selbst zu organisieren und auch selbständiger zu sein, da man oft Dinge alleine erledigen muss. Auch lernt man sehr viele neue Leute kennen, wodurch man neue Freundschaften knüpfen kann. Zusätzlich kann man seine eigenen Sprachfähigkeiten, sei es Englisch oder die jeweilige Landessprache, deutlich verbessern, was heutzutage für alle Bereiche so wichtig ist. Aber das Wertvollste ist natürlich eine gute Zeit zu haben und schöne Erinnerungen zu schaffen, auf die man später gerne zurückblickt.

Warum Japan, das Land der aufgehenden Sonne?

Japan ist ein Land wie kein anderes. Die Bevölkerung ist sehr homogen, es sind recht wenige Ausländer zu sehen, was einem, zusätzlich zu der großen Entfernung zu Deutschland, wirklich ein Gefühl gibt, weit weg zu sein. Wir hatten sogar das Glück einreisen zu dürfen bevor die Tore für den Tourismus Corona bedingt geöffnet wurden, was eine einzigartige Erfahrung war, die sich vielleicht nicht mehr wiederholen wird. Man hat auf den Straßen zu der Zeit kaum Ausländer gesehen und wenn doch, dann waren es junge Studierende. Man sticht also total aus der Masser hervor, natürlich auch weil der Körpergrößendurchschnitt weit niedriger in Japan ist. Man fühlt sich nicht nur äußerlich sehr fremd, es ist auch sehr schwierig hier im Alltag zurecht zu kommen, was einen Aufenthalt hier zu einem echten Abenteuer macht.

Es herrscht eine sehr große Sprachbarriere, da Englisch nicht sehr verbreitet ist, was man aber niemanden übel nehmen kann, da Englisch und Japanisch sehr verschiedene Sprachen sind. Wir in Deutschland haben das große Glück, dass Englisch relativ einfach zu erlernen ist verglichen mit anderen Sprachen. Dazu kommt noch das japanische Schriftzeichensystem, das sich in Hiragana (ひらがな), Katakana (カタカナ) und Kanji (漢字) unterteilen lässt. Bei dieser Vielzahl an Schriftzeichen ist ein Einkauf in einem Supermarkt keine Selbstverständlichkeit und man ist sehr auf Übersetzungsapps angewiesen. Auch ist die Verhaltensweise der Japanerinnen und Japaner sehr viel anders als in westlichen Ländern. Denn hier werden Werte wie Höflichkeit, Respekt und Ehre sehr groß geschrieben, was sich auch vor allem durch die Sprache erkennen lässt.

Freundlichkeit ist wichtig

Generell gilt, immer freundlich zu sein und bloß keine Probleme zu verursachen, daher sind Japanerinnen und Japaner auch sehr leise und wirken scheu und zurückhaltend. Die Straßen sind sehr ruhig und in den Zügen wird kein Wort gesprochen, man könnte ja jemanden aufwecken, der gerade schläft. Obwohl die Maskenpflicht außerhalb von geschlossenen Räumen längst aufgehoben wurde, wird die Maske weiterhin überall getragen, wohl mehr aus gesellschaftlichen Gründen als aus gesundheitlichen. Manche gehen sogar so weit, selbst beim Sport die Maske zu tragen…

Um den Einstieg einfacher zu gestalten wurde uns netterweise ein japanischer Tutor zugeteilt. Dieser hilft bei allen möglichen organisatorischen Dingen, wie zum Beispiel bei der Registrierung im Bürgerbüro, bei der Eröffnung eines Bankkontos oder bei der Suche nach einem Handyvertrag. Diese Hilfe ist auch absolut notwendig, da man ja mit Englisch nicht sehr weit kommt.

Bürokratie und Papierformulare

Zusätzlich wird die Bürokratie hier sehr ernst genommen. Es werden immer noch sehr viele Papierformulare genutzt, die bei dem kleinsten Fehler direkt abgelehnt werden. So wurde ich zum Beispiel zweimal bei der Eröffnung des Bankkontos abgelehnt. Die erste Begründung war, dass man mindestens sechs Monate in Japan leben muss, bevor man ein Konto eröffnen darf. Beim zweiten Mal war das Problem, dass auf meiner Residenzkarte mein zweiter Vorname zu sehen war, dieser aber nicht auf meinem Studierendenausweis drauf war. Das heißt, ich musste zusätzlich nachweisen, dass ich ein Student bin. Mein englischer Nachweis wurde dann natürlich abgelehnt, als ich den japanischen Nachweis vorgezeigt habe, hat es dann endlich geklappt. Nicht so einfach das alles…

Das Shofu-Wohnheim, das mir zugewiesen wurde, hat anfangs ein paar Bedenken bei mir ausgelöst, da es recht weit weg von meiner Universität liegt (nämlich in Yokohama) und fast schon zu günstig war. Aber schon nach wenigen Tagen war ich mehr als begeistert davon. Es ist recht groß und hat Platz für sehr viele Studierende, wodurch man täglich Leute trifft und quasi nie alleine ist. Es ist sehr ruhig und sauber und verfügt über eine große Küche. Die Zimmer sind mit dem Nötigsten ausgestattet und verfügen sogar über einen Balkon und das alles zu einer sehr geringen Miete! Die Universität ist innerhalb von circa 30 Minuten von der nächsten Bahnstation zu erreichen, was für Tokio tatsächlich unterdurchschnittlich ist, was die Fahrzeit angeht. Für diese Strecke wird auch ein vergünstigtes Studierendenticket angeboten.

Ōokayama-Campus der Tokyo Tech

Das Tokyo Institute of Technology (kurz Tokyo Tech) verfügt über drei Campusse, von denen der Hauptcampus in Ōokayama liegt. Der natürliche Park in der Mitte der Universität verleiht der Uni einen schönen Eindruck. Außerdem besitzt sie noch eine Bücherei, eine Studentenlounge, eine Schwimm- und Turnhalle und einen Sportplatz. Das Jahr wird in vier Quarter unterteilt. Die Uni gehört zu den besten in ganz Japan und hat dementsprechend eine sehr schwierige Aufnahmeprüfung, die nur die wenigsten bestehen. Anders als an der Uni Stuttgart zählt hier die Mitarbeit während dem Quarter in die Endnote und nicht jedes Fach hat eine Prüfung. Die Cafeteria hat ein großes Angebot zu einem billigen Preis. Generell ist es günstig in Japan Essen zu gehen, im Supermarkt sieht es dann wieder anders aus. Käse und Brot sind leider nicht existent und Obst ist sehr teuer. 

Blick auf den Fuji während meiner Radtour nach Hakone.

Japan ist ein sehr vielseitiges Land, das sowohl über ein pulsierendes Stadtleben als auch über eine abwechslungsreiche Natur verfügt. Im Norden gibt es das winterliche Hokkaido, wo man sehr gut Skifahren kann, im Süden gibt es die tropische Insel Okinawa mit schönen Stränden, die ein beliebtes Reiseziel sowohl für Japanerinnen und Japaner als auch für Touristen ist. Leider ist das Reisen in Japan recht teuer. Man kann zwar alles zügig mit dem Schnellzug (Shinkansen) erreichen, aber das zu seinem Preis. Dafür bietet sich Japan sehr für das Fahrradfahren an. Überall sind Radwege zu finden und der Boden ist sehr flach und gut geteert. Daher habe ich mich neulich dazu entschlossen, eine längere Tour nach Hakone mit dem Fahrrad zu machen. Das war ein sehr schönes Abenteuer, da ich komplett auf mich alleine gestellt war und demnach sehr viele Freiheiten hatte. Dabei habe ich gelernt, dass man alleine schneller neue Leute kennenlernt, denn mit Gesellschaft ist es meistens spaßiger.

Nach nur drei Monaten habe ich schon sehr viele neue Erfahrungen gemacht und ich bin sehr gespannt was die nächsten neun Monate in Japan für mich bereithalten!

Jonas

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