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Schlüsselqualifikationen sind eine einmalige Chance

Schlüsselqualifikationen (SQ) sind fester Bestandteil des Studiums. Welche gibt es überhaupt, was sollten wir beachten und was bringen sie?

An der Universität Stuttgart muss jede*r, je nach Studiengang eine unterschiedliche Anzahl an Schlüsselqualifikationen belegen. Dabei scheinen diese für manche Studierende ein lästiges Übel zu sein. Das greift aber zu kurz, denn ich finde: Sie sind eine einmalige Chance, viele Fachgebiete und spannende Themen kennenzulernen. Hier geht es mal nicht um Noten, sondern darum etwas fürs Leben und den späteren Beruf zu lernen, Soft Skills zu erweitern, über sich hinauszuwachsen oder einfach sich selbst zu finden.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen fachaffinen und fachübergreifenden (FÜSQ) Schlüsselqualifikation. Erstere sollen zusätzliches Wissen und Kompetenzen vermitteln. Meistens gehen diese über die regulären Veranstaltungen hinaus, haben aber dennoch einen mal engeren, mal weiteren Bezug zur Studienrichtung.

FÜSQs bieten dagegen die Möglichkeit, das Fachstudium gedanklich komplett zu verlassen. Hier soll der persönliche Horizont erweitert, Alltagskompetenzen erworben und gefördert sowie verantwortungsvolles Handeln für das spätere Berufsleben und die Gesellschaft verankert werden. Ziel ist es, die komplexen Herausforderungen und Problemstellungen der heutigen Zeit nicht nur mit gelerntem Fachwissen, sondern interdisziplinär anzugehen. Für manche Studiengänge gibt es Pflichtbereiche, in denen ein Modul belegt werden muss. Nachzulesen ist das in eurer Prüfungsordnung.

Sechs Kompetenzbereiche der SQs

Bei der „Methodischen Kompetenz“ geht es um die Fähigkeit, Informationen zu beschaffen, diese auf Relevanz zu analysieren, zu reflektieren und im richtigen Kontext zu verwenden. Unterschiedliche Lern- und Arbeitstechniken oder das Projektmanagement und -planung gehören ebenfalls dieser Kategorie an.

Im Bereich der „Sozialen Kompetenz“ liegt der Fokus auf dem gemeinsamen Leben und Arbeiten. Es geht darum, mit Situationen und Anforderungen zurechtzukommen und in Kooperation Aufgaben und Probleme zu lösen, mit Konflikten umzugehen oder neue Perspektiven zu erkennen.

Sich beruflich, persönlich und virtuell auszudrücken und Mitgeteiltes aufzugreifen steht in der „Kommunikativen Kompetenz“ im Mittelpunkt. Die Kunst des Smalltalks, das Argumentieren und Feedback geben gehört genauso dazu, wie der Umgang mit Kritik und Lob, die Moderation oder das Präsentieren.

Die „Personale Kompetenz“, bei der es unter anderem um die Entfaltung der Begabungen oder das Verfassen und Entwickeln von Lebensplänen geht, behandelt auch die personalen Eigenschaften wie Selbständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein.

Im Bereich „Kompetenzen in den Fächern Recht, Wirtschaft, Politik“ liegt der Fokus auf ökonomische, rechtliche und politische Kompetenzen. Ziel ist es, gesellschaftliche Zusammenhänge, rechtliche Rahmenbedingungen und existierende wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Systeme zu verstehen.

Des Weiteren gibt es für Studiengänge ohne MINT Bezug noch den Kompetenzbereich „Naturwissenschaftliche und technische Kompetenz“. Hier steht der Wissens- und Fähigkeitserwerb in natur-, technik- und ingenieurswissenschaftlichen Disziplinen im Vordergrund.

Die einzelnen Bereiche haben zahlreiche Überschneidungen und manch eine SQ lässt sich nicht ganz eindeutig zuordnen. Für einen besseren Überblick gibt es seit dem Sommersemester 2022 übergeordnet zwölf Themenfelder, denen jeweils vier Kompetenzbereiche zugeordnet werden. So werden zum Beispiel dem Themenfeld „Kreativität und Kultur“ die soziale, kommunikative und personale Kompetenz zugeordnet.  Alle weiteren Themenfelder und Erklärungen dazu könnt ihr beim Zentrum für Lehre und Weiterbildung (ZLW) nachlesen.

Anmeldung zu einer Schlüsselqualifikation

Grundsätzlich stehen fachübergreifende SQs allen Bachelor- und Masterstudiengängen gemäß ihrer Prüfungsordnung offen. Die erste Registrierungsphase beginnt circa vier Wochen vor Vorlesungsbeginn. Informiert wird man mit einer E-Mail vom ZLW. Die ausgewählten Wunschmodule lassen sich in C@MPUS zusätzlich priorisieren. Nach Ablauf von zwei Wochen werden die FÜSQ zugeteilt. Dabei spielen die noch fehlenden Leistungspunkte, die Fachsemesteranzahl und die angegebene Priorisierung eine Rolle. Zuletzt kann auch das Los über die Platzvergabe entscheiden.

Anders als bei den restlichen Modulen, muss man sich bei den FÜSQs nicht zu einer Prüfung anmelden. Aber es ist wichtig zu wissen: Das Abmelden und damit der Rücktritt von der zu erbringenden Studienleistung ist nur bis zur vierten Woche nach der zweiten Vergabephase möglich! Während fachaffine Schlüsselqualifikationen benotet sein können, sind die FÜSQs grundsätzlich unbenotet und werden mit drei ECTS honoriert. Wenn ihr noch weitere Fragen habt, könnt ihr eine E-Mail an das ZLW schreiben.

Schlüsselqualifikationen: vier Erfahrungen

Hannes verbessert seit zwei Semestern mit einer SQ sein Spanisch, gelernt hatte er die Sprache schon auf dem Gymnasium. Die SQ war für ihn eine Möglichkeit seine Sprachkenntnisse zu wiederholen und zu erweitern, meint er. Spanisch ist nach Chinesisch die am zweitweitesten verbreitete Muttersprache und kommt als Weltsprache direkt nach Englisch. Hannes findet es deshalb reizvoll, sie zu lernen. Im August geht es für ihn nun ein Semester nach Chile.

Für etwas mehr Realitäts- und Praxisbezug hat sich Vincent im Themenfeld „Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung“ für die SQ „ÖZ goes solar“ angemeldet. Als fünfköpfiges Team haben sie dort Ideen entwickelt, wie man auf dem 680 Quadratmeter großen Dach und Terrasse des Ökonomischen Zentrums (ÖZ) auf dem Campus Vaihingen eine Solaranlage installieren kann. Ihre Ergebnisse haben sie im Anschluss vor einem breiten Publikum präsentiert.

Raphael, einer meiner Tutoren hat die SQ „Tutor*innen Qualifizierung“ belegt. Es ging vor allem um die zeitliche Strukturierung des Tutoriums, didaktische Methoden und wie man die unterschiedlichen Lerngruppen optimal betreut. Für ihn war es wichtig, als aktiver Tutor aufzutreten und auf die Studierende zuzugehen und nicht wie viele andere, schweigend auf Fragen zu warten. Dass die SQ dabei eher auf Geistes-, statt Naturwissenschaften ausgelegt war, störte ihn ein bisschen.

Immer wieder können sich auch engagierte Studierende ihre Leistung anerkennen lassen. Egal, ob als Mentor*in für Erstsemester oder Auslandsstudierende oder wie ich während der Coronazeit im STUVUS-Helferportal, die FÜSQs bieten die Möglichkeit die soziale Kompetenz vielfältig auszubauen.

Ganz schön vielfältig also. Schlüsselqualifikationen sind eine Chance, links und rechts vom gewählten Studium Neues zu lernen, zusätzliche Interessen zu verfolgen, sich auszutauschen und Leistungen außerhalb des Studiums anerkennen zu lassen. Für viele scheinen die SQs eine lästige Pflichtveranstaltung zu sein. Richtig gewählt bieten sie jedoch die Möglichkeit, etwas fürs Leben und den späteren Beruf, statt für die Noten im Zeugnis, zu lernen.

Sophie

Kommentare

Rainer Eckert

16. September 2022 08:51

ich bin zwar nur Beschäftigter bei der Universität Stuttgart, doch lese ich immer euren Newsletter.
Was ich auch als Nichtstudent gut finde, das ihr den Studierenden Schlüsselqualifikationen vermitteln wollt.
Welche Schlüsselqualifikation in der heutigen Zeit (für alle Menschen, nicht nur für Studierende, sondern auch für Auszubildende) wichtig finde, ist Tutor*innen Qualifizierung. Was ich an dieser speziellen Schlüsselqualifikation nicht so gut fand, ist, das diese hauptsächlich nur die Geisteswissenschaften anspricht und weniger die Naturwissenschaften. Da gehört mehr "Werbung" für diese spezielle SQ bei den naturwissenschaftlichen Fächern gemacht.

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