Ehrenamtlicher Einsatz während der Lockdowns – meine Erfahrungen

Wie mir meine ehrenamtliche Tätigkeiten durch die Lockdowns geholfen haben und was ich daraus gelernt habe.

Vielleicht hätten meine Mitbewohner*innen irgendwann gegen das viele selbst gebackene Bananenbrot gestreikt. Vielleicht hätte ich beim Homesport irgendwann ein komplettes Pamela-Reif-Video durchgehalten oder das Ende von Netflix entdeckt. Vielleicht wären mir auch irgendwann die Wege fürs Spazierengehen ausgegangen. Ach ne halt, die hatte ich ja tatsächlich alle durch.

Seit Beginn der Coronavorlesungen rückten die Wände in meinem zwölf Quadratmeter WG-Zimmer näher zusammen, die Decke verlor an Höhe und jeder Tag sah wortwörtlich gleich aus. Ich musste etwas ändern, das wurde mir schnell klar und so meldete ich mich beim stuvus-Helferprotal an. Gebraucht habe ich dafür nur Zeit, aber die hatte ich ja zu Genüge, seit sämtliche (außer-) studentischen Aktivitäten weggefallen sind.

Ziel der Studierendenvertretung und des Helferpools war es, Ressourcen von ehrenamtlichen Helfenden aufzubauen, die Einrichtungen und Organisationen bei der Bewältigung der Coronalage tatkräftig unterstützen. Damit bilden sie eine Schnittstelle zwischen denjenigen, die Hilfe brauchen und denen, die die Gesellschaft in der Krise unterstützen wollen. Nach dem Registrieren konnte man die unterschiedlichen Einsatzorte, Anforderungen und den Stundenaufwand einsehen und selbst entscheiden, welche Tätigkeiten man gerne übernehmen möchte. Egal ob beim Roten Kreuz, der Stuttgarter Tafel oder beim Aufbau von Quarantänestationen, für jeden der unzähligen Helferinnen und Helfer wurde ein passender Job gefunden.

Mehr als 10.000 Gesichtsvisiere fertigten und verpackten ehrenamtliche Helfende in der ARENA2036.

So baute, putzte und verpackte ich im ersten Coronasemester ein paar Stunden pro Woche in der ARENA2036 Gesichtsvisiere. Diese wurden aufgrund der Knappheit anfangs noch an lokale Arztpraxen und Krankenhäuser geliefert, später dann in Entwicklungsländer wie Chile und Lesbos verschifft. Insgesamt wurden dort mithilfe der Helferinnen und Helfer, den Forschungs- und Industriepartner*innen mehr als 10.000 Gesichtsvisiere gefertigt.

Einsatz für das Gesundheitsamt

Dass sich die Situation des Studiums im Wintersemester 2020/21 (und im darauffolgenden Semester) nicht ändern würde, war spätestens dann klar, als nach dem Sommer die Inzidenzwerte ungebremst in die Höhe schossen und so blieb ich im Helferportal registriert. Schon bald suchte das Gesundheitsamt Stuttgart Freiwillige, die in Alten- und Pflegeheimen Antigen-Schnell-Tests durchführten. Denn Mitte Oktober 2020 beschloss die Bundesregierung, dass diese Einrichtungen nur noch mit einem aktuellen negativen Coronatest von Angehörigen betreten werden durften. Zu diesem Zeitpunkt jedoch konnte man sich lediglich auf dem Cannstatter Wasen oder beim Hausarzt auf das Coronavirus testen lassen, weshalb händeringend Tester*innen gesucht wurden.

Vor allem während der Weihnachtsfeiertage testeten wir viele Angehörige.

Durch meine bisherige ehrenamtliche Tätigkeit konnte ich medizinische Kenntnisse vorweisen und im Herbst an einer circa zweistündigen Schulung im Gesundheitsamt teilnehmen. Von da an arbeitete ich mindestens einmal in der Woche im Generationenzentrum Sonnenberg und vermehrt über die Feiertage wie Weihnachten oder Ostern, wenn viele Familien ihre Angehörigen besuchen wollten. Besonders in dieser Zeit spürte man für seine Tätigkeit große Dankbarkeit und die Freude über das Engagement. Mittlerweile gibt es mehr und mehr Testzentren, die meisten Besucher sind bereits geimpft und die Arbeit in einer Schicht wird merklich weniger. Meine Tätigkeit im Generationenzentrum neigt sich dem Ende zu und fast schon wehmütig trete ich die letzten Schichten in meinem mittlerweile so vertrauten Arbeitsraum im Eingangsbereich an.

Mir bietet es seit eineinhalb Jahren die Möglichkeit, regelmäßig von Schreibtisch weg und aus meinem kleinen WG-Zimmer zu kommen, um anschließend wieder mit neuer Motivation und Energie zurückzukehren. Lange, vor allem in den harten Lockdownzeiten, war das Ehrenamt neben dem Einkaufen die einzige Tätigkeit, um das Haus zu verlassen. Ich konnte meine Fähigkeiten und Kenntnisse der Gesellschaft zur Verfügung stellen und hatte damit das Gefühl etwas Gutes und Nützliches zu tun.

Wir spürten große Dankbarkeit und Freude über unser Engagement.

Doch auch für das spätere Berufsleben kann ich so einiges mitnehmen. Besonders die in Unternehmen immer mehr gefragten Soft Skills lassen sich bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit erlernen und weiterentwickeln. In meinem Studienfach gibt es neben Asynchronen Lehrveranstaltungen auch eine Reihe wechselnder Livevorlesungen und Tutorien, die besucht werden müssen, weshalb ich die Zeiten im Altenheim Woche für Woche erneut planen muss. Das erfordert eine gewisse Organisations- und Planungsstärke und insbesondere ein gutes Selbstmanagement.

(Selbst-)Reflektion – Nach und nach wurden Abläufe entwickelt und Prozesse optimiert wie zum Beispiel die Dokumentation. Andere mussten komplett überarbeitet werden, wenn dies neue Verordnungen verlangten. Damit dies geschehen konnte war ein ständiges Hinterfragen der Konzepte und Annehmen von Kritik notwendig.

Was ich gelernt habe

Soziale Fähigkeiten, die einem das Ehrenamt vermittelt sind gefragter denn je und es wären zu viele, um sie alle aufzuzählen. Verantwortungsbewusstsein – In meinem Fall besonders, wenn es um das Umsetzen von Hygiene- und Desinfektionsplänen geht. Teamfähigkeit – Ich konnte das Arbeiten mit Kolleginnen und Kollegen in einem jungen und engagierten Team kennenlernen. Selbstbewusstsein – Und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Können. Freundlichkeit auch in Stresssituationen – Besonders wenn sich an Feiertagen Schlangen im Eingangsbereich bildeten. Neugierig bleiben, Dinge in die Hand nehmen und angehen und Ideen verwirklichen – Das hat auch stuvs mit der Entwicklung des Helferportals bewiesen.

All die oben genannten Dinge werden mir im zukünftigen Berufsleben weiterhelfen und auch für das Studium konnte ich meine Leistung anerkennen lassen. Die Studierendenvertretung stuvus setzte sich von Beginn an bei der Universitätsleitung dafür ein, die ehrenamtliche Tätigkeit als fachübergreifende Schlüsselqualifikation anrechnen zu lassen.

Bereit für den Dienst im Generationenzentrum.

Wir standen und stehen als Gesellschaft vor einer neuen Herausforderung und es erfüllt mich mit Hoffnung und Zuversicht, wenn ich an alle die Ehrenamtlichen denke, ohne die wir diese Krise nicht so gut meistern hätten können. Ich bin überzeugt davon, dass sich Engagement auszahlt und man wahrscheinlich in keiner Vorlesung und in keinem Lehrbuch so viel von der wahren Welt da draußen lernt, wie wenn man sie selbst aktiv mitgestaltet.

Vielleicht ist es mir gelungen, die Vorzüge des Ehrenamtes aufzuzeigen und den ein oder anderen zu überzeugen sich (auch „nach Corona“) zu engagieren. Vielleicht sehen wir uns ja im Herbst wieder bei Präsenzveranstaltungen an der Uni, das würde ich mir wünschen.

Vielleicht backe ich jetzt doch noch ein Bananenbrot, um der verrückten Zeiten Willen.

Sophie Strohmaier

Kommentare

Sonja Rothweiler

9. September 2021 16:45:20 Uhr
Hast Du toll gemacht.

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