"Wir sehen unsere Erfolge viel zu wenig"

Die Prüfungsphase an der Universität Stuttgart.
[Foto: Fotolia/nd3000]

Anfang August ist es wieder soweit: Die zentral organisierten Prüfungen des Sommersemesters starten. Die vorlesungsfreie Zeit sieht für Außenstehende oft nach sehr langen Ferien aus, Hausarbeiten und Prüfungen kosten so manchen Studierenden allerdings mehr Nerven und Freizeit als die Veranstaltungen im restlichen Semester.

Nach der Schulzeit muss man sich erst einmal an die andere Prüfungssituation an Universitäten anpassen und gewöhnen. Während in der Schule die Klassenarbeiten über das Schuljahr verteilt sind, werden die Prüfungen an der Universität gegen Ende des Semesters gesammelt geschrieben. Nicht selten werden mehrere Prüfungen in einer Woche geschrieben. Die Nervosität und der Druck vor und während der Prüfungsphase ist für viele Studierende während des gesamten Studiums präsent. Das Lernen muss man lernen. Dafür gibt es keine Leistungspunkte, trotzdem ist es notwendig um das Studium erfolgreich abzuschließen. Fragt man Studierende, sagen viele, dass sie inzwischen ganz anders lernen als zu Beginn des Studiums.

Das Lernen muss man lernen!

Die Universität Stuttgart bietet ihren Studierenden Hilfe in Form der Lernberatung, die von der Zentralen Studienberatung angeboten wird. Ina Skalbergs unterstützt und berät Studierende aus jeder Fachrichtung und aus jedem Semester. Studierende können Einzel- und Gruppenberatungen vereinbaren oder Workshops besuchen. Die Workshops der Lernberatung sind Teil des ‚Schreiben à la carte‘- Programms der Schreibwerkstatt und können als Minikurs auf Campus verbucht werden.

Frau Skalbergs, stimmt es, dass man nur mit kontinuierlichem Lernen zum Erfolg kommt?

„Ja, kontinuierliches Lernen ist das, was Sie an der Uni brauchen! Das liegt daran, dass der Stoff an der Uni so komplex ist. Es reicht nicht nur, in die Vorlesung zu gehen. Viele Dinge müssen ruhen, wiederholt oder aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Manche Sachen muss man öfter anfassen. Wir müssen wiederholen, um nicht zu vergessen. All das spricht für kontinuierliches Lernen. Oft ist es schwer, sich zu motivieren und sich daran zu halten. Während des Semesters hat man aber viele Ressourcen, die man in der Prüfungsvorbereitung nicht mehr hat. In Veranstaltungen und Tutorien können Fragen gestellt werden, ohne extra Sprechstundentermine auszumachen. Am wichtigsten ist es, während des Semesters den roten Faden in der Hand zu behalten und sich einen Grundstock zu legen. Da muss man nicht ins Extrem gehen und immer Einser Niveau halten, sondern realistisch bleiben und den Überblick behalten. Wenn es mal eine Woche nicht klappt, kann man das schon noch in der Vorprüfungszeit nachholen. Oft nehmen sich Studierende aber zu Beginn des Semesters zu viel vor und studieren zu 150 Prozent. Nach ein paar Wochen fliegt einem das meistens um die Ohren, weil es zu anstrengend ist. Andere sagen oft, dass sie während des Semesters gar nichts machen. Wenn man dann genauer hinsieht, machen sie meistens doch was, lesen ihre Texte oder machen Übungsaufgaben. Man muss eine Balance finden: Der Hauptjob ist das Lernen, das heißt aber nicht, dass man 24 Stunden am Tag lernen muss. Nur eben regelmäßig.“

Auf Ihrer Website bieten Sie Beratungen für Einzelpersonen und Lerngruppen an. Würden Sie allen eine Lerngruppe ans Herz legen oder ist das typsache?

„Lernt mit anderen zusammen! – das würde ich allen sehr ans Herz legen. Am besten in Form von Lerngruppen. Ich habe nur selten Ausnahmen getroffen, die lieber alleine lernen und das auch alleine schaffen. In den ganzen Jahren waren das aber nur zwei, drei Studierende, für die das funktioniert hat. In der höheren Mathematik habe ich mal gehört wie ein Dozent gesagt hat, was ich von vielen Dozierenden höre: ‚Alleine schafft ihr es nicht. Es ist so eine große Menge.’ Man hat das einfach nicht mehr unter Kontrolle, wie oft in der Schule, und braucht den Austausch. Manche Fächer brauchen auch einfach ganz generell den Austausch und die Diskussionen. In Lerngruppen kann man sich Dinge dann auch gegenseitig erklären und sich motivieren, wenns mal schwierig wird. Manche Studierende haben auch nur einen Lernpartner oder je nach Fach unterschiedliche Gruppen.“

Arbeitet man, hat man in der Regel nach einem Arbeitstag erstmal Feierabend. Vielen Studierenden fällt das schwer. Die Uni ist durch die Bücher, Lernzettel und den vollen Schreibtisch immer präsent.

Wie wichtig ist der Feierabend für Studierende?

„Das ist ein super, super wichtiges Thema. Wir sind keine Maschinen, wir können nicht immer eingeschaltet sein. Wir brauchen die Abwechslung zwischen Anstrengung und Erholung. Man geht davon aus, dass sich der normale Mensch maximal 45 Minuten am Stück in hoher Qualität konzentrieren kann, danach geht die Energie runter. Die regelmäßigen kleinen und großen Pausen sind wichtig, dass Lernen nicht weh tut. Die nächste Pause ist ja dann nie weit und eine dreiviertel Stunde geht immer. Außerdem brauchen wir einen Feierabend. Da sollte dann auch wirklich Schluss sein. Einen Tagesrhythmus zu haben ist wichtig. Wenn man dauerhaft lernt, das also der Hauptjob ist, geht man davon aus, dass man maximal 6 Stunden am Tag Hochqualitätskonzentration erbringen kann. Wenn man das Gefühl hat, danach noch etwas machen zu müssen, sollte das eher etwas wie Zettel sortieren oder Bücher zurück bringen sein. Man weiß ja auch, dass im Schlaf ganz viel passiert: Das Hirn wird nochmal neu sortiert und strukturiert. Planen kann da auch sehr hilfreich sein. Man kann sich eine feste Uhrzeit setzen, zu der man Feierabend macht. Uni ist einfach sehr viel und der Stoff ist komplex, was ja auch das Schöne ist. Man könnte ewig weiter machen, es gibt kein natürliches Ende. Den Strich muss man selber ziehen und keine Angst davor haben, nicht genug gemacht zu haben. Eine der schönsten Aufgaben, die ich bei der Lernberatung habe, ist herauszufinden, was man in den Pausen machen kann um das Gehirn wieder fit zu machen. Die Auflage ist nur, dass es nichts mit Informationsverarbeitung zu tun haben darf.“

Haben Sie auch Tipps bei Nervosität? Oft ist man ja gut vorbereitet, hat aber trotzdem Angst vor der Prüfung.

„Wir sehen unsere Erfolge viel zu wenig. Wir machen uns viel zu wenig bewusst was alles gut läuft. Trainieren ist essentiell. Vor allem Altklausuren sind eine super Möglichkeit. Es gibt auch Techniken, die helfen, das aufgeregte autonome Nervensystem runterzufahren. Das können Atemtechniken oder ein mentaler, schöner Ort sein. Anderen hilft Yoga oder Spazieren gehen. Einer Studentin, die bei mir in der Lernberatung war, hat es mal geholfen, dass sie sich in der Prüfungsvorbereitung regelmäßig in einen Vorlesungssaal gesetzt hat und da die Prüfung simuliert oder gelernt hat. Dadurch hatte sie den Ort schon in der Vorbereitung mit drin.“

Organisationschaos Prüfungsphase?

Um die Prüfungsphase an der Universität zu überleben muss man nicht nur das Lernen drauf haben und die Nerven behalten. Verpennt man die Anmeldung der Prüfungen auf Campus, darf man die Prüfungen sowieso nicht schreiben. Oder doch…?

Elisabeth Schneider vom Prüfungsamt der Universität Stuttgart weiß, welche organisatorischen und rechtlichen Aspekte mit der Prüfungsphase verbunden sind. Seit fast fünf Jahren berät sie Studierende in allen Fragen, die mit der Prüfungsordnung, den Prüfungen selbst und den allen weiteren Regelungen der Prüfungsordnung zu tun haben. Auch bei Fristverlängerungen und Nachteilsausgleichen ist man bei ihr an der richtig Stelle.

Frau Schneider, wie lange hat man Zeit, das Attest einzureichen?

„Bei den alten Prüfungsordnungen sind das oft noch drei Tage. Das hat sich bei den neuen Prüfungsordnungen geändert. Wir handhaben das inzwischen so, dass es für alle gleich ist. Studierende haben eine Woche Zeit ab Prüfungstag um das Attest einzureichen. Wann das Attest ausgestellt wurde, spielt für uns keine Rolle. Wichtig ist, dass der Tag der Prüfung ganz deutlich im Attest steht. Die gelbe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht völlig aus. Es gibt ja auch noch welche, für die man bezahlen muss. Das ist aber überhaupt nicht notwendig.“

Gibt es wirklich keinen Plan B, wenn man sich für eine Prüfung nicht im Anmeldezeitraum angemeldet hat?

„Wir verschicken mehrere E-Mails und schreiben auch kurz vor Ende des Anmeldezeitraums, dass nochmal nachgeschaut werden soll. Trotzdem gibt es einen Plan B. Wenn man sich ein bis maximal zwei Tage nach dem Anmeldezeitraum bei uns meldet, können wir das in der Regel noch nachmelden. Ich kann aber nur den Appell an die Studierenden richten, sich gleich am Anfang des Semesters eine Erinnerung einzurichten – und das am besten nicht am letzten Tag, falls es Probleme bei der Anmeldung gibt. Wenn man angemeldet ist sollte man nochmal alles gedanklich abhaken. Natürlich gibt es auch Sonderfälle, bei längeren Krankenhausaufenthalten zum Beispiel.
Grundsätzlich handhaben wir das aber relativ strikt. Wir sind der Meinung, dass man das von Studierenden erwarten kann und setzen das auch als Eigenverantwortung voraus.“

Welche Gründe werden akzeptiert, um von einer Prüfung zurück zu treten?

„Es gibt ja immer zwei Möglichkeiten einen Rücktritt einzureichen: zum einen den regulären, bei Krankheit und mit Attest, zum anderen den Rücktritt, den man sich vom Prüfungsausschuss genehmigen lassen muss. Da geht dann für alles, was der Prüfungsausschuss akzeptiert. Man muss es nur plausibel machen können. Bei Beerdigungen oder anderen Unglücken wird das in aller Regel genehmigt. Bei Hochzeiten würde der Prüfungsausschuss wahrscheinlich argumentieren, dass man das ja länger als 7 Tage vor der Prüfung weiß. Es liegt aber tatsächlich im Ermessen und in der Entscheidung des Prüfungsausschusses. Eine Frist für die sogenannten außerordentlichen Rücktritte gibt es nicht. Es macht zwar Sinn, sich zeitnah darum zu kümmern.“

Im Idealfall hat man mit Ihnen eigentlich gar nichts zu tun. Stimmt das?

„Je 'normaler' das Studium durchläuft, desto weniger hat man in aller Regel mit uns zu tun. Das stimmt schon. Die Prüfungen werden ja online verbucht und wenn man wenig krank ist, muss man auch keine Atteste einreichen. Wenn man dann noch nicht die Höchststudiendauer überschreitet oder den Prüfungsanspruch verliert, hört man auch nichts von uns. Tendenziell kontaktiert man uns tatsächlich eher, wenn man ein Problem hat. Wenn alles so läuft wie wir uns das wahrscheinlich alle wünschen, hat man erst am Ende, beim Anmelden der Abschlussarbeit und beim Ausstellen der Zeugnisse, mit uns zu tun.“

 

Anna Fritz

 

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