Regenbogen über dem Eingang der ESA

Praktikum bei der ESA: Mein Sprungbrett ins internationale Arbeitsumfeld

Wie ein Praktikum bei der Europäischen Raumfahrtagentur in den Niederlanden meine Sicht auf das Arbeiten in einem internationalen Team verändert hat. Eine empfehlenswerte Erfahrung.

Noordwijk in den Niederlanden kennen manche vielleicht als Urlaubsort direkt am Meer. Allerdings ist vielen nicht bekannt, dass sich dort auch der Forschungs- und Technologiestandort der Europäischen Raumfahrtagentur befindet. Im Juli 2023 habe ich dort ein 5-monatiges Praktikum begonnen. Ich berichte hier von meinen Erfahrungen und gebe euch ein paar Tipps mit auf den Weg, wie auch du einen solchen Schritt meistern kannst und was ich von meiner Zeit mitgenommen habe. Ich hoffe, es animiert den ein oder anderen auch den gleichen Schritt zu gehen und einige Zeit im Ausland zu arbeiten.

Allen Luft- und Raumfahrttechnik-Studierenden an der Uni Stuttgart ist die European Space Agency ESA sicherlich ein Begriff. Es handelt sich um eine Organisation von 22 europäischen Mitgliedsstaaten zur gemeinsamen Ausführung von Raumfahrtaktivitäten. Die ESA selbst nimmt dabei eine koordinative und entscheidende Rolle bei der Planung und Auswahl von Missionen ein. Satelliten werden allerdings eher von der europäischen Industrie gebaut, die sich auf Ausschreibungen der ESA bewirbt, um die Missionen durchzuführen. Hierbei unterstützt die ESA dann und stellt insbesondere die Mittel zur Finanzierung bereit, die direkt aus den nationalen Raumfahrtprogrammen der Regierungen stammen. Wie man schon merkt, ein wirklich sehr bürokratisches System.

Da die Organisation so vielseitig ist, bieten sich auch Jobmöglichkeiten in vielen unterschiedlichen Gebieten. Man muss nicht Luft- und Raumfahrttechnik oder einen ähnlichen Ingenieurwissenschaftlichen Studiengang studieren! Viele andere Praktikanten studierten z.B. BWL, Jura, Technologiemanagement usw.

Wie bin ich dort gelandet?

Im November 2022 befand ich mich gerade im Auslandssemester und habe absolut gar nicht an ein Praktikum gedacht. Zufällig ist dann die Ausschreibung für ein Praktikum bei der ESA im Bereich Kommerzialisierung durch einen E-Mail-Verteiler in meinem Postfach gelandet und hat mein Interesse geweckt. Da dachte ich mir, ich sende einfach schnell eine Bewerbung, habe meine Chancen allerdings als eher gering eingeschätzt. Kurz vor Weihnachten wurde ich dann zu einem Online-Bewerbungsgespräch im Januar eingeladen.

Arbeiten im internationalen Umfeld

Für mich war die Arbeit in einem internationalen Umfeld die eine absolute Bereicherung. Ich habe in einem Team mit fünf weiteren Kollegen gearbeitet, davon zwei aus Spanien, zwei aus Frankreich und ein Kollege aus Deutschland. Das erweiterte Team war hingegen noch viel diverser mit Kolleg*innen aus England, Bulgarien, Portugal, Italien, Estland, … - quasi ganz Europa in einem Gebäude. Diese multikulturelle Arbeitsumgebung war für mich der perfekte Weg mich weiterzuentwickeln und auch mit Industrieunternehmen aus ganz Europa zusammenarbeiten zu können.

Der Eingang der ESA in Noordwijk

Ich selbst war im Bereich Kommerzialisierung im Team für Technologietransfer und Patente tätig. Hier ging es viel um Arbeit mit Unternehmen aus der Industrie, sowie die Betreuung von ESA-Wettbewerben. Zudem war ein großer Aufgabenbereich unseres Teams die Betreuung der ESA Business Incubation Centers die Start-up Firmen im Bereich Raumfahrt bei deren Gründung und Technologiereife unterstützt werden. Als weiterer Aufgabenbereich habe ich Anfragen zum technischen Support von ESA-Expert*innen an die Start-up Unternehmen koordiniert und mitbetreut. Besonders spannend war für mich dabei, dass mir sehr viel Verantwortung übertragen wurde und ich selbstständig arbeiten konnte, allerdings auch immer auf die Unterstützung der Kollegen und Kolleginnen zählen konnte, wenn nötig. Dies hat mich besonders für die Arbeit motiviert, mehr Verantwortung geht allerdings auch mit viel Workload einher.

Warum solltest auch du ein internationales Praktikum machen?

Der größte Unterschied, der mir zu meinem Industriepraktikum in Deutschland aufgefallen ist, war die gemeinsame Arbeitsweise. Jeder Kollege bringt seine eigene Kultur mit in den Arbeitsalltag, was auch Herausforderung darstellen kann. Es war nicht üblich - wie in Deutschland - sehr früh zur Arbeit zu erscheinen und auch die Strukturiertheit der Arbeitsweise kann extrem zwischen Kolleg*innen variieren. Dafür war das soziale miteinander deutlich lebhafter und es wurde viel Wert auf ein persönliches Verhältnis gesetzt.

Neben den beruflichen Chancen und spannenden Aufgabenstellungen, an denen man wachsen kann, ist für mich auch die persönliche Erfahrung eines der Hauptargumente für ein Praktikum im Ausland. Ich habe sehr viele Freunde, während meiner fünf Monate in den Niederlanden gefunden, mit denen ich auch immer noch in Kontakt bin. Erst kürzlich war ich wieder in den Niederlanden und habe meine ehemaligen Kolleg*innen dort besucht. Auch beruflich konnte ich mir dadurch ein großes Netzwerk in ganz Europa in der Raumfahrtindustrie aufbauen.

Duenen bei Noordwijk

Auslandspraktikum, Auslandssemester oder vielleicht sogar beides?

Ich selbst habe direkt vor dem Praktikum ein Jahr im Ausland an einer Partneruniversität studiert. Ein Auslandssemester unterscheidet sich deutlich vom Praktikum: Während des Auslandssemesters lag neben dem Studium bei mir auch der Fokus etwas zu erleben und zu reisen. Das Praktikum war allerdings deutlich zeitintensiver und daher waren für mich nur wenige Ausflüge möglich. Man geht nach der Arbeit und am Wochenende ab und zu mal mit Kolleg*innen Abendessen oder in eine Bar, während ich beim Auslandssemester auch öfters mit meinem Kommilitonen am Wochenende z.B. wandern, surfen oder auch auf Reisen war. Das ist aber sicherlich auch von den Begebenheiten des Landes abhängig.

Für mich persönlich war es deshalb die perfekte Kombination nach dem Auslandssemester das Praktikum zu machen. Zudem wird aber auch häufig bei der Bewerbung auf ein Auslandspraktikum darauf geachtet, dass man schon vorher internationale Erfahrungen gesammelt hat. Es ist keine zwingende Voraussetzung, allerdings haben alle anderen Praktikanten, mit denen ich gearbeitet habe, zumindest für ein paar Monate am Stück im Ausland gewohnt.

Leben in den Niederlanden

Ich selbst habe in Leiden gewohnt, eine sehr schöne kleinere Stadt mit vielen Grachten. Zudem ist Leiden sehr gut mit dem Zug angebunden und man kann innerhalb von einer Stunde Amsterdam, Den Haag oder Rotterdam erreichen. Fahrradfahren ist absolut zu empfehlen. Alles ist darauf ausgerichtet und es ist meist das schnellste und unkomplizierteste Verkehrsmittel. Das Leben an sich unterschiedet sich nicht zu sehr von Deutschland, außer das eine andere Sprache gesprochen wird. Allerdings sprechen die meisten Niederländer auch Englisch, wodurch Verständigung in der Regel kein Problem ist. Für mich war es eine großartige Erfahrung und ich habe es genossen jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zum Einkaufen zu radeln.

Die Lebenshaltungskosten in den Niederlanden sind ähnlich wie in Deutschland, die Mietpreise allerdings deutlich höher. Besonders als Ausländer ist es sehr schwierig eine Wohnung oder ein WG-Zimmer zu finden. Das Monatsgehalt bei der ESA beläuft sich auf 800€ für Praktikant*innern, zusätzlich kann man sich das Praktikum auch parallel durch das Erasmus Programm fördern lassen, was ich absolut empfehlen würde. Für mich war die Finanzierung dadurch ausreichend.

Fazit

Ein Praktikum bei der ESA ist die perfekte Möglichkeit für eine kurze Zeit in eine internationale Atmosphäre einzutauchen. Selbst wenn die internationale Arbeitsumgebung nicht für jeden langfristig das passende ist, ist die Erfahrung etwas ganz besonderes und man kann sich danach immer noch für andere Berufswege entscheiden.

Die Bewerbungsphase für Praktika bei der ESA findet nur einmal im Jahr im November statt, für Trainee-Positionen in der Regel im Februar. Nutzt also die Chance, sie kommt nicht so oft!

Johannes

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