Familienkutschen am Limit

Mit alten Autos 7777 Kilometer von Deutschland bis in die Wüste Jordaniens fahren und damit noch Gutes tun. Das klingt etwas verrückt, sind aber die Spielregeln der Allgäu-Orient-Rallye, bei der wir – sechs Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik der Uni Stuttgart – in diesem Jahr teilgenommen haben. Und es hat sich mehr als gelohnt!

Unsere drei Autos durften jeweils nicht mehr wert sein als 1111,11 Euro oder mussten älter als 20 Jahre sein. Auf der Strecke selbst durften wir weder Mautstraßen noch Autobahnen verwenden und zur Navigation war GPS tabu! Durch die Rallye werden diverse Charity-Projekte unterstützt und wir selbst haben dem SOS-Kinderdorf in Tirana, Albanien, Sachspenden vorbeigebracht.

Aus 5 mach 3

Unser Team hat sich gegen Anfang des Jahres komplett zusammengefunden und gleich im Anschluss stand die Suche nach Sponsoren auf dem Programm. Auch die Autos mussten organisiert werden und so wurde der Bekannten- und Verwandtenkreis mobilisiert, der uns immerhin zwei der drei Autos umsonst „einbrachte“. Am Ende kauften wir wegen den aufzubringenden TÜV-Kosten doch noch zwei weitere Autos und so bestand unser Fuhrpark letzten Endes aus einem Ford Focus, einem Opel Zafira und einem Ford Escort. Den nun überschüssigen Opel Astra verkauften wir wieder.

Auf der weiteren Agenda stand nun die Autos umzubauen: Betten wurden in die Kofferräume eingebaut, Dachhimmel wurden aus Platzgründen entfernt, sodass komfortable Schlafmöglichkeiten entstanden, Zusatzscheinwerfer wurden angebracht und wegen weiterer Beleuchtungen am Auto wurden auch Zusatzautobatterien eingebaut. Am Ende bekamen alle Autos noch eine gelbe Wüstenbordüre, sodass die Zusammengehörigkeit unverkennbar und unser Team bestens vorbereitet für den Start am 7. Mai in Oberstaufen im Allgäu war.

Dann ging’s endlich los

Die ersten vier Tage nach Abfahrt galt freie Streckenwahl, denn der erste Checkpoint, an dem sich alle Teams gemeinsam trafen, war laut Roadbook in Istanbul. Das Roadbook erhielt jedes Team beim Start und es enthielt einige Aufgaben, die es während der Rallye zu erledigen galt. Eine Roadbookaufgabe war beispielsweise das Anfertigen eines Teamfotos an jeder Grenze.

Pflanzen der Rostenstöcke

Rektor Ressel und die Rosenstöcke

Zudem musste sich jedes Team von einer berühmten Person des öffentlichen Lebens zwei Rosenstöcke und eine Friedensbotschaft sponsern lassen. Die Rosenstöcke pflanzten wir in Oberstaufen und Istanbul, die Friedensboschaft platzierten wir in der Klagemauer in Jerusalem. Als Studenten der Uni Stuttgart lag für uns nahe, wen wir dazu anfragen wollten und der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel, erklärte sich gerne bereit, die Schirmherrschaft über diese Rallyeaufgabe zu übernehmen.

Spenden für ein SOS-Kinderdorf

Unsere Route führte uns nun von Oberstaufen aus durch Österreich, Italien, wieder Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro bis nach Albanien, wo wir in Tirana das SOS-Kinderdorf besuchten und die gesammelten Spenden vorbeibrachten.

Auch die Universität Stuttgart unterstützte uns hierfür mit über 80 Schultaschen, die die Kinder vor Ort hochbegeistert entgegennahmen. Nach den sehr positiven Eindrücken dort setzten wir unsere Reise durch Griechenland bis in die Türkei fort.

Spenden wurden im SOS-Kinderdorf verteilt.

Polizeieskorten und Autokorsos

Dort sollten wir nun die nächsten 10 Tage verbringen, lernten viele Städte und die türkische Gastfreundschaft kennen und schätzen. Das konnten wir auch mit den anderen Teams, die bei der Rallye mitfuhren, teilen, denn nun traf man sich jeden Abend in Fahrerlagern. Unsere Tage in der Türkei, die von vielen Polizeieskorten und Autokorsos durch Innenstädte und sogar über die Bosporusbrücken geprägt waren, endeten in Adana.

Ohne Codewort keine Einreise

Von hier aus flogen wir unseren Autos nach Tel Aviv hinterher, welche ihrerseits am Vorabend die Reise per Schiff von Mersin nach Haifa, Israel, antraten. Leider nahm unser Flugkapitän kein Codewort mit auf die Reise, was aber notwendig ist, um in den israelischen Luftraum einfliegen zu dürfen. So konnten wir erst auf den zweiten Versuch nach erneutem Zwischenstopp in Adana in Tel Aviv landen.

Familienkutschen am Limit

Über den Jordan

Nach wunderschönen und interessanten Tagen in Israel, die durch einen Schulbesuch, Militärpräsenz, die Negev-Wüste aber auch das Westjordanland und damit Bethlehem aber auch Jerusalem geprägt waren, setzten wir unsere Reise nach Jordanien fort. Die Einreise hier war wohl mit die zeitaufwendigste, nachdem unsere Autos erst an der Grenze versichert wurden und undurchsichtig lange Prozesse bei über 200 Teilnehmern ihren Tribut forderten. Auch hier standen Wüstencamps auf dem Plan, unter anderem im Wadi Rum, das seinerseits als Filmkulisse für beispielsweise „Der Marsianer“ diente. Aber auch Hotels sowohl am Toten als auch am Roten Meer waren gebucht. Ein Besuch von Petra, einem über 2000 Jahre alten UNESCO-Weltkulturerbe stand ebenfalls auf dem Programm.

Der Anfang vom Ende

Natürlich gab es am Ende auch eine Siegerehrung – war ja, eine Rallye. Wir als Team 101 Nacht belegten einen grandiosen vierten Platz und holten uns stolz unsere Medaillen ab! Okay… rallyetypisch belegte jeder den vierten Platz, der ein Roadbook abgegeben hatte, aber hey, wir sind Vierter ;)

Leider war auch unsere Zeit in Jordanien knapp bemessen und so traten wir nach knapp vier Wochen Abenteuerfahrt, wohl unvergesslichen Erlebnissen und mit überaus positiven Eindrücken von der einheimischen Bevölkerung unsere Heimreise von Amman aus nach Frankfurt an.

Wiedersehen in Deutschland

Seitdem hat uns das Leben in Deutschland wieder eingefangen. Nach einem langen Wochenende voll Schlaf haben die einen angefangen zu arbeiten, die anderen sind wieder an der Uni. Doch die Rallye nimmt nach wie vor unsere Freizeit in Beschlag: Es gilt tausende Bilder zu sortieren, viele Stunden Filmmaterial zu sichten und zu schneiden, uns bei Sponsoren zu melden und Dokumente zu bearbeiten. Alle Leute, die uns sehen, fragen natürlich, wie es uns so ergangen ist und wir haben dadurch die Möglichkeit, die Höhepunkte der Rallye durch Erzählungen wieder und wieder zu erleben.

Philipp Renz

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