Arbeitslos nach dem Studium: Die Agentur für Arbeit weiß Rat

Fleißig studiert, Abschluss in der Tasche und bereit für die Berufswelt? Gestern noch im Hörsaal, heute bei der Agentur zur Arbeit - damit rechnet eigentlich niemand. Dieser Beitrag zeigt, welche Unterstützung es für Absolventinnen und Absolventen beim Arbeitsamt gibt.

Optimistisch und neugierig auf das neue Kapitel im Leben, beginnt für die meisten nach dem Studium die heiße Bewerbungsphase. Manchmal klappt es mit einer passenden Stelle nicht auf Anhieb. Davon geht die Welt aber nicht gleich unter: Es gibt vom Staat auch für Absolventen, die noch keine Berufserfahrung haben, finanzielle Unterstützung sowie persönliche Beratung. Doris Reif-Woelki ist in der Agentur für Arbeit tätig und hat sich für ein Experteninterview zur Verfügung gestellt, um mir zu dem Thema wichtige Fragen zu beantworten.

Welche Voraussetzungen müssen Absolventen erfüllen, um Arbeitslosengeld zu erhalten?

Beim Arbeitslosengeld muss man unterscheiden zwischen 1. Der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I und 2. Der Sozialleistung Arbeitslosengeld II (gemeinhin Hartz IV genannt). Für das Arbeitslosengeld I muss vorher in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt worden sein. Das passiert bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Es müssen mindestens 12 Monate in den vergangenen zwei Jahren einbezahlt worden sein, sonst entsteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Sollte kein Anspruch vorhanden sein, und keine andere Möglichkeit bestehen, den Lebensunterhalt zu bestreiten, kann ein Antrag auf Arbeitslosengeld II beim Jobcenter gestellt werden. Das ist wie gesagt eine Sozialleistung und beruht auf einer Bedürftigkeitsprüfung. Das beinhaltet, dass man seine gesamten Vermögens- und Einkommensverhältnisse offen legen muss.

Da aber die wenigsten Studierenden neben Studium Zeit für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit haben, wird es eher der Einzelfall sein, dass Arbeitslosengeld I gezahlt werden kann.

Aber das Arbeitslosengeld ist ja bei weitem nicht die einzige Leistung, die die Agentur für Arbeit anbietet. In Stuttgart bieten wir ein breit gefächertes Angebot an Beratungsleistungen, Workshops und Seminaren, die beim Berufseinstieg helfen. Am besten schaut man mal im Jahresprogramm „Karriere“ nach.

Wie unterscheidet sich der Antrag für Absolventen zu Berufstätigen? 

Bei den Anträgen gibt es keine Unterschiede, sie sind für alle gleich.

Was benötigen die Studierenden alles für einen Antrag?

Wichtig sind vor allem die Arbeitsbescheinigungen der Arbeitgeber, denn daraus wird die Höhe des Arbeitslosengeldes ermittelt. Für Arbeitslosengeld II ist noch viel mehr erforderlich, Mietbescheinigungen etwa und Kontoauszüge. Hier gibt es eine gute Übersicht.

Mit welchem Gemütszustand kommen die Absolventen zu Ihnen?

Das ist sehr unterschiedlich. Zum einen gibt es die, die sehr marktgängige Studienrichtungen gewählt hatten, der Abschluss vielleicht nicht ganz so hervorragend ausgefallen ist wie geplant, und die lediglich eine gute Bewerbungsstrategie benötigen, die aber guter Dinge sind, in Kürze eine passende Stelle zu finden. Sie wollen vielleicht nur ihre Bewerbungsunterlagen checken lassen und einen Plan B erarbeiten oder durchdiskutieren.

 

So haben wir sehr oft Bachelor-Absolventen, die nicht sicher sind, ob ein Master für sie Sinn macht, auch dort helfen unsere Berater mit ihrer hohen Marktkenntnis gerne weiter, denn nicht immer ist eine weitere Spezialisierung auf dem Arbeitsmarkt von Vorteil., bei manchen Fachrichtungen kann man aber ohne Master kaum Karriere machen. Andere haben Fachrichtungen studiert, die nicht unmittelbar oder zwingend in einen bestimmten Beruf münden. Sie brauchen oft umfassend Orientierung über Chancen am Arbeitsmarkt, weitere Beschäftigungsfelder oder Quereinstiegs-Möglichkeiten. Viele haben mit der Entscheidung zum Studium ja noch nicht die Entscheidung für einen Beruf getroffen. Die steht dann noch an. Das kann schwierig werden, wenn man sich während des Studiums gar nicht mit der Zukunft beschäftigt hat. Hier kommt es uns darauf an in der Beratung konsequent stärkenorientiert vorzugehen und Entscheidungen gut vorzubereiten. Tiefs in der Gemütslage gibt es dann natürlich vor allem, wenn eigene Vorstellungen und Neigungen nicht zum Arbeitsmarkt passen und die Suche nach der persönlichen Nische ist zwar immer lohnenswert aber kann unglaublich anstrengend und frustrierend sein. Wenn man vorher immer mühelos Prüfungen geschafft hat, kann das auch mal eine persönliche Krise auslösen.

Krisenstimmung haben wir in Beratungen auch dann, wenn mit schlechten Noten abgeschlossen wurde, man das Studium nur durchgezogen hat, um überhaupt einen Abschluss zu haben. Auch dann ist es oft schwierig, die Richtige Strategie für sich herauszufinden: Bewirbt man sich mit schlechten Noten, studiert man etwas anderes, ist sogar eine Berufsausbildung vielleicht der bessere Weg? All diese Fragen können mit unseren akademischen Berater/innen besprochen werden.

Aber auf jeden Fall positiv bleiben: Die Chancen für Akademiker waren selten so ausgezeichnet wie in den letzten fünf Jahren. Mit etwas Geduld – denn ein einzelnes Bewerbungsverfahren bei Akademikern benötigt in der Regel 3-4 Monate – kommen die allermeisten ans Ziel.

Wann muss man sich als Absolvent rechtzeitig anmelden?

Bei Absolventen gibt es keine Fristen, da meistens ja keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. Gab es die aber doch, weil man z.B. eine befristete Doktorandenstelle hatte, muss man sich spätestens drei Monate bevor die Befristung ausläuft, arbeitslos melden.

Wie lange dauert die Bearbeitung eines Antrages? 

Sobald alle Unterlagen vorliegen, von einer Stunde bis wenige Tage.

Wie wird das Arbeitslosengeld berechnet? Welche Leistungen werden übernommen?

Arbeitslosengeld I beträgt für Personen ohne Kinder 60 Prozent vom Nettoeinkommen, mit Kindern 67 Prozent. Für das Arbeitslosengeld II gibt es feste Regelsätze.

Haben Sie Tipps, wie Absolventen einen einfacheren Berufseinstieg haben können? 

Der erste und einfache Tipp: nicht erst nach dem Abschluss über die Zukunft nachdenken. Untereinander Berufsmöglichkeiten diskutieren, Netzwerke zu Studierenden aus höheren Semestern knüpfen, Netzwerke und Kontakte der Unis nutzen. Und: Unsere akademischen Berater beraten auch nicht erst wenn der Abschluss in der Tasche ist. Sie sind an den Unis teilweise mit Sprechstunden vor Ort; Sie können aber auch jederzeit einen ausführlichen Beratungstermin bei uns in der Agentur für Arbeit vereinbaren oder an unserem Seminarprogramm teilnehmen. Auch wenn es während des Studiums Probleme gibt, helfen die Kolleginnen und Kollegen gerne weiter. Einfach eine E-Mail an: Stuttgart.172-Beratung@arbeitsagentur.de mit Schilderung der Problemlage, wir melden uns dann.

 

Die Agentur für Arbeit unterstützt nicht nur finanziell, sondern hilft auch im Bezug zu Bewerbungen und Weiterbildung. Wichtig ist es dabei, immer positiv zu denken und am Ball zu bleiben. Und solange kein Job in Sicht ist, lohnt sich der Weg zum Arbeitsamt.

Feven

Kommentare

Birgit

12. Dezember 2023 20:50Uhr

Mein Sohn hat während seines Studiums sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Der Arbeitgeber hatte ihn als Werksstudenten gemeldet. musste das aber rückwirkdend auf die gesamte Zeit des Masterstudiums korrigieren, sodass dann für die gesamte Zeit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt wurden. Also über 12 Monate in den letzten drei Jahren.

Das Arbeitsamt hat nun die Zahlung von ALG I abgelehnt, weil ordentliche Studenten lt.§ 27 Absatz 4 SGB III sozialversicherungsfrei sind unabhängig davon, ob sie Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben oder nicht. Die Definitkion von einem ordentlicjhen Studtdenten ist, dass dieser mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit für das Studium aufwenden muss, was nicht der Fall war.

Mein Sohn hat die gesamte Zeit 16 Stunden pro Woche gearbeitet und ein Teilzeitstudium mit 16 Semesterwochenstunden = 12 Vollzeitstunden absolviert. Das wurde ihm auch von der Hochschule schirftlich bestätigt. Da mein Sohn einen GdB von 80 hat, hat der mittwochs weder gearbeitet noch an Vorlesungen teilgenommen, um seine Belastung zu reduzieren.

Dennoch erhält er kein Arbeitslosengeld, weil das Arbeitsamt argumentiert, dass - wenn jemand weniger als 20 Stunden arbeitet - er automatisch ein ordentlicher Student ist.

Bleibt hier nur noch der Klageweg oder gibt es hier schon entsprechende Urteile, die als Argumentationshilfe dienen können.

Vielen Dank für die Unterstützung

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