Eine häufige Kritik am Lehramtstudium ist, dass das Studium zu wenig Praxis beinhaltet. Das Academic Volunteership in den USA ist eine großartige Option, um hier Erfahrung zu sammeln. Als ich von der Chance gehört habe, war für mich sofort klar, dass ich mich darauf bewerben muss. Ich habe mir von dem Aufenthalt gewünscht, den Lehrerberuf besser kennenzulernen. Die Zeit in den USA hat mir allerdings viel mehr geboten als nur das.
Die Vereinbarung zwischen der North Academy of World Languages (NAWL) in Huntersville, North Carolina, und der Lehreinheit Englisch der Uni Stuttgart ist, dass sich die Lehramtsstudierenden in den USA um ein Academic Volunteership bewerben können. Abhängig von der Anzahl der vorhandenen Gastfamilien, stehen pro Schulhalbjahr drei bis fünf Plätze zur Verfügung. Die Volunteers werden kostenfrei in Gastfamilien untergebracht. Abgesehen davon, dass man also die unglaubliche und - meiner Meinung nach - einmalige Chance hat, ohne Unterhaltskosten in den USA zu leben, ist dies gleichzeitig eine wunderbare Gelegenheit in den Alltag einer amerikanischen Familie einzutauchen.
Mehrere Vorteile
Bereits vor Antritt meiner Reise hatte ich Kontakt zu meiner Gastfamilie. Dadurch stieg meine Vorfreude enorm. Ich konnte es kaum erwarten alle kennenzulernen. Und auch als ich dann vor Ort war, war ich sehr dankbar dafür sie zu haben. Es war ein schönes Gefühl am Flughafen quasi von einem „Bekannten“ abgeholt zu werden. Dank meiner Gastfamilie fühlte ich mich nie einsam. Dennoch hatte ich immer einen Rückzugsort, um Zeit für mich zu haben.in der Familie hat mich enorm bereichert.
Ich hatte die Chance, mehr über das amerikanische Schulsystem zu erfahren und gleichzeitig auch welche Hobbies viele Kinder dort haben. So erhält man einfach einen besseren Einblick in die Alltagskultur von Familien in den USA. Ein wichtiger Teil für das Leben meiner Gastfamilie sowie vieler anderer Familien ist die Community in der Nachbarschaft. Auch davon durfte ich ein Teil sein. Ich habe die Nachbarschaftsfeste besucht und durfte die spezifischen Traditionen des Ortes kennenlernen.
Full language immersion
Die Besonderheit der NAWL ist, dass in der Schule das Konzept der full language immersion verfolgt wird. Es gibt drei verschiedene Sprachzüge: den chinesischen, den französischen und den deutschen. Schüler*innen ab dem Kindergarten (wäre bei uns mit der ersten Klasse gleichzusetzen) gehen an diese Schule. In meinem Fall haben die Kinder den deutschen Sprachzug besucht. Ihnen wird der Unterrichtsstoff von Beginn an auf Deutsch beigebracht.
Zu sehen, wie die Kinder die Sprache durch diese Methode erlernen, ist sehr spannend und bietet einen ungewöhnlichen Einblick in den Fremdsprachenerwerb. Auch wenn wir an der Universität Stuttgart für das Lehramt an Gymnasien studieren, ist das bei diesem Volunteership erlernte Wissen über den Fremdsprachenerwerb sowie dessen didaktische Seiten sehr nützlich.
Ich finde es sehr wichtig, auch Einblicke in andere Schularten zu erhalten, um so neue Inspiration und Denkanstöße zu erlangen. Mir persönlich hat die Aufgabe als Academic Volunteer sehr viel Spaß gemacht. Das lag unter anderem auch daran, dass mir sehr viel Verantwortung übertragen wurde. Ich habe mich somit gebraucht gefühlt, aber nie überfordert, da die Kolleg*innen immer in der Nähe waren und auf alle Fragen und Probleme eingegangen sind. Sie haben mir immer Input gegeben, bevor ich mit den Schüler*innen gearbeitet habe. Ich durfte sogar bei Elterngesprächen und auch an anderen schulischen Veranstaltungen anwesend sein.
Kein Auslandssemester
Die Kinder geben einem als Lehrperson sehr viel zurück, sei es durch gemeinsames Lachen oder die Beobachtung ihres schnellen Lernprozesses. Beides sind schöne Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Zu beachten ist jedoch, dass der Abschied von den Schüler*innen, Kolleg*innen und der Familie viel härter ist, als man sich das davor vorstellen kann. Ein solcher Aufenthalt ist keineswegs vergleichbar mit einem Auslandssemester, da der pädagogische Aspekt stärker ausgeprägt ist und man ebenfalls mehr Einblicke in das Leben der Einheimischen bekommt. Ich denke, ein Auslandssemester hat ganz andere Qualitäten. Ich war im vierten Semester des Bachelors, als ich nach Huntersville ging und habe vor, im Master noch ein Studiensemester im Ausland zu absolvieren, um noch eine andere Perspektive zu bekommen.
Der Alltag war zwar sehr schulastig, dennoch hat mir mein Aufenthalt noch sehr viel mehr geboten als nur die aufregende Zeit in der Schule. Ich durfte die Southern Hospitality, also die Gastfreundschaft der Menschen in den südlichen Bundestaaten der USA, erfahren, sei es in meiner Familie, der Nachbarschaft oder bei dem Smalltalk mit Fremden beim Wandern. Die meisten Leute, die ich treffen durfte, haben großen Wert auf Höflichkeit, Dankbarkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gelegt. Ich habe die ganze Reise als sehr aufregend empfunden, da ich zuvor nie in den USA war und somit vieles nur aus dem Filmen kannte. Ich habe es geliebt, den vielen Eichhörnchen in meiner Straße beim Spielen zuzusehen, den Supermarkt zu durchforsten, um nach Snacks zu suchen, die es in Deutschland nicht gibt oder auch einfach nur in dem aus Filmen bekannten, gelben Schulbus zu sitzen.
An den Wochenenden haben meine Gastfamilie und ich Ausflüge unternommen. Es ist schwer sich auf Highlights zu beschränken, da ich mich für vieles begeistern konnte, auch für die kleinen Dinge. Ein Beispiel für ein scheinbar nicht spektakuläres, aber unvergessliches Ereignis ist ein Abend, an dem meine Gastfamilie und ich pumpkin-spice donuts gebacken und den Abend mit einer heißen Tasse Apple Cider auf der Terrasse verbracht haben. Wenn ich daran zurückdenke, spüre ich immer noch die Freude und Wärme, die ich zu dem Zeitpunkt empfunden habe.
Unvergesslicher Stadionbesuch
Ein Highlight war auf jeden Fall der Besuch eines Baseballspiels in Charlotte. Ich bin mit einer Kommilitonin, die auch das Academic Volunteership gemacht hat, und ihrer Gastfamilie dort hingegangen. Es war einfach cool so eine Sportart, die bei uns nicht so häufig vertreten ist, anzusehen und in einem echten amerikanischen Stadion zu sein. Der Abend war unvergesslich. Wir haben echte amerikanische Hotdogs gegessen, überdimensionale Limos getrunken und uns dabei sehr amüsiert. Außerdem haben wir dem Maskottchen (mit dem wir am Ende sogar ein Bild machen konnten, war sehr toll) bei den Pausen zugesehen sowie Kindern, die die Bälle, die vom Feld abkommen sind, gefangen haben und diese dann voller Stolz und strahlender Augen behielten.
Warm anziehen trotz 30 Grad
Das Klima in North Carolina ist auf jeden Fall ein weiterer guter Grund für einen Aufenthalt dort. Ich war von September bis Ende November dort und habe nur wenige Tage unter 20 Grad erlebt. Am meisten gefroren habe ich in der Schule, dies hatte aber nichts mit dem Wetter zu tun, sondern mit der Klimaanlage, die auf Hochtouren lief. An dieser Stelle mein Tipp: Immer schön warme Sachen einpacken zum Drüberziehen, auch wenn es draußen über 30 Grad hat.
Abschließend lässt sich sagen, dass ich ein Academic Volunteership an der NAWL sehr empfehlen kann. Falls dieser Beitrag das Interesse bei dir geweckt hat, lass dir diese Chance nicht entgehen. Die Schule ist sehr flexibel und bietet die Möglichkeit für drei Monate zu kommen (das ist ein sehr kleiner Aufwand, da man mit einer deutschen Staatsbürgerschaft nur ein ESTA beantragen muss) oder ein halbes Jahr (in diesem Fall so früh wie möglich um das Visum kümmern!).
Es gibt auch die Möglichkeit, Stipendien zu beantragen und damit eine finanzielle Förderung zu erhalten. Für weitere Informationen zu dem Programm kannst du dich bei Dr. Martin Windisch melden und bei allen weiteren Fragen und Sorgen, die den Aufenthalt angehen, stehe ich gerne bereit.Ein Auslandsaufenthalt außerhalb von Europa kann überfordernd wirken und es gibt viel Ungewisses, das auf einen zukommt. Aber das Academic Volunteership an der NAWL ist von der Seite der Uni sowie der Schule super betreut und das Angebot an Hilfe, das geboten wird, ist unglaublich. Deshalb sei spontan, trau dich und bewirb dich darauf!
Michaela
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